Toilettenpapier, WC und Bidet – eine kleine Geschichte des „Stillen Örtchens“

Gilt in folgenden Filialen:
Toilette

Das tägliche Geschäft ist für die meisten von uns eine intime Angelegenheit, bei der man am liebsten von niemandem gehört und schon gar nicht gesehen werden will. In unserer Zivilisation geht das so weit, dass es mittlerweile eine eigene Phobie gibt, die sich auf das Wasserlassen in der Öffentlichkeit bezieht: Paruresis, auf Englisch "Shy bladder Syndrome" (übersetzt in etwa: „schüchterne Blase“). Paruresis bezeichnet die Scheu davor, Öffentliche Toiletten zu benutzen. Im Extremfall können Betroffene kein Wasser lassen, wenn andere Personen in der Nähe sind.

Im Gegenzug gibt es aber auch „Wildpinkler“, denen es relativ egal zu sein scheint, wo und wie sie sich erleichtern. Die Art und Weise, wie wir uns erleichtern, unser „Geschäft“ erledigen, ist auch immer ein Spiegel der Zeit. Selbst im vornehmen Schloss Versailles gab es zur Zeit des Barock das Problem mit „Wildpinklern“. Das Problem lag damals allerdings nicht in Bequemlichkeit, sondern darin, dass Toiletten schlichtweg ein rares Gut waren. Das WC war noch gar nicht erfunden, und Nachttöpfe hatte nicht jeder. Sie waren den höheren Klassen vorbehalten. Die ärmeren Leute mussten sich mit einer Ecke irgendwo im Palast oder seinem Garten begnügen. Hygienisch war das natürlich nicht.

Weit organisierter war es da schon im Römischen Reich zugegangen. Mit dessen Untergang verschwand aber auch ein Großteil der Hygienekultur wieder. Im Mittelalter war es um Sauberkeit und Sanitär desolat bestellt, erst im Zuge der einsetzenden Industrialisierung wurde es besser.

In der Antike, im Alten Rom, gab es öffentliche Latrinen, auf denen man sich traf. Man saß nebeneinander, kam ins Gespräch, während man Darm und Blase entleerte.50 bis 60 Toilettenplätze nebeneinander waren keine Seltenheit. Es ging dabei durchaus gesellig zu. Und weil man ins Gespräch kam, wurde eben auch im wahrsten Sinne des Wortes „das ein oder andere Geschäft gemacht“ auf dem Lokus. Man verhandelte, schloss Verträge, tauschte Neuigkeiten aus, auf dem gar nicht stillen „Stillen Örtchen“. Nach erfolgreichem Abschluss reinigte sich man mit nassen Schwämmen, die man an Stöcken befestigt hatte. Es war dabei üblich, seinen eben benutzen Schwamm direkt an den Nebenmann weiterzureichen, wenn man fertig war. Die Reichen besaßen neben der Möglichkeit, die öffentlichen Latrinen zu nutzen, eigene Privatklos, die ärmeren Römer immerhin Nachttöpfe.

Im Mittelalter konnte man von diesen Zuständen nur träumen. Denn mit dem Niedergang des Römischen Reiches verschwanden auch viele von dessen Errungenschaften wieder. Insbesondere die Städte waren eng und verdreckt. Die Notdurft wurde oft einfach zusammen mit anderem Unrat auf die Straße gekippt. Manchmal kam dann der „Pappenheimer“. Seine Aufgabe war es, den Unrat einzusammeln. Meist wurden die eingesammelten Exkremente aus der Stadt hinaus aufs Land gebracht, um dort als Dünger genutzt zu werden. Da es nur einzelne Kloaken gab, aber keine umfassende Kanalisation, verbreiteten sich im Mittelalter Seuchen besonders schnell. Toiletten waren Mangelware. Das änderte sich eine ganze Weile lang nicht. Damit die Menschen sich nicht in alle möglichen Ecken und Nischen erleichterten, waren im 18. Jahrhundert so genannte „Abtrittanbieter“ unterwegs, wenn man so will eine Art menschliche Vorläufer der mobilen WCs: Der Abtrittanbieter zog mit einem großen Eimer mit Holzdeckel und einer Art Umgang durch die Straßen. Oft wurde der gesammelte Urin von ihm an die hiesigen Gerbereien weitervermittelt. Wer wollte, konnte sein Geschäft bei dem Abtrittanbieter verrichten – im Schutze seines Umgangs. Öffentliche Toiletten im eigentlichen Sinn gab es erst ab dem Ende des 19. Jahrhunderts. Damit verschwand auch das Berufsbild des Abtrittanbieters.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde dann das Wasserklosett populär. Das funktionierte nun, da große Städte wie London über ein umfangreiches Kanalisationssystem verfügten. Zu dieser Zeit wurde auch spezielles Klopapier entwickelt, das zwar zum Reinigen des Allerwertesten taugte, die Rohre aber nicht verstopfte. Dünne Abflussrohre stellen auch heutzutage in vielen Ländern noch eine Herausforderung dar. In Südamerika ist es üblich, das benutzte Toilettenpapier in einen Behälter neben dem Klo zu entsorgen und nicht im WC runterzuspülen.

Wie man sich nach dem Geschäft reinigt, auch dazu gibt es eine interessante Kulturgeschichte. Denn die Menschen waren erfinderisch. Das klassische Klopapier gibt es noch gar nicht so lange Zeit. Es wurden lange Zeit Blätter benutzt, Wurzeln oder eben wie im Alten Rom Naturschwämme. In Deutschland beliebt waren offenbar bestimmte Gewächse mit großen weichen Blättern, zum Beispiel die Pestwurz. Die Pflanze wird wegen der Funktionalität ihrer Blätter auch heute teilweise noch als „Arschwurz“ bezeichnet. Verwendung fanden aber auch Lumpen und, nachdem Zeitungen verfügbar waren, auch die Zeitungen. Zur Not tat es auch Wasser oder eben die linke Hand. Sie gilt daher bis heute in einigen Kulturkreisen als „unrein“. Dass wir uns mit der rechten Hand die Hände schütteln stammt aus diesem Bedeutungskontext. Erstmal erwähnt wird Toilettenpapier bereits im 6. Jahrhundert. In Europa nutzte man bis ins Mittelalter aber alles Mögliche, um sich zu reinigen, Stoffreste oder Moos, Heu – was eben verfügbar war. Das erste kommerziell hergestellte Toilettenpapier stammt aus dem Jahr 1857. 1928 gründete Hans Klenk die Toilettenpapierfabrik Hakle.

Die Toilette war lange Zeit ein absolutes Luxusgut und nur den Reichen zugänglich. Die einfachen Leute mussten sich diskret eine Ecke suchen. Ein Beispiel ist das Schloss Versailles. Die meisten Bewohner und Gäste suchten sich im Schloss oder im Schlossgarten einen Ort für ihr Geschäft. Alleine Louis XIV hatte einen eigenen Stuhl für seine Notdurft. Auf diesem sitzend empfang er auch Gäste. Die vielen tausend Besucher, die im Schloss ein und aus gingen, mussten sich anderweitig behelfen. Allenfalls für die Reichen gab es am Hofe Kloerker, also Anbauten an der Mauer. Das waren kleine Podeste, auf die man sich setzen konnte, so dass alles Gemachte in den Hofgraben fiel. Im Barock gab es für die ganz Reichen ansonsten das Personal. Die Kammerzofe hatte die wichtige Aufgabe, die Kleidung zu reinigen und beim Ankleiden zu helfen. Außerdem musste sie die Nachttöpfe entleeren. In die Nachttöpfe legten die vornehmeren Damen zu dieser Zeit kleine Häkeldeckchen gegen Spritzen und charakteristische Geräusche beim Wasserlassen.

Das Wort „Toilette“ stammt übrigens vom französischen Begriff für „Tuch“, was damals genug sein musste zur Körperreinigung – Duschen gab es ja ebenfalls nicht, und generell glaubte man im Barock, Wasser sei schädlich, verstopfe die Poren des Körpers mit Krankheitserregern. Lieber nutzte man Puder und übertünchte unangenehme Gerüche mit Parfüm.

Das erste Klo mit Spülung wurde vermutlich Ende des 16. Jahrhunderts bereits erfunden, doch erst 1775 wurde das WC mit Spülung von dem Briten John Harington zum Patent angemeldet. Ihm verdanken wir auch den geschwungenen Siphon, dank dessen üble Gerüche gebannt werden. Es dauerte aber noch bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts, bis in zahlreicheren Häusern Toiletten auch tatsächlich eingebaut wurden

Das erste Klopapier war noch recht rau und dünn, kein Vergleich zu dem mehrlagigen flauschigen Varianten von Heute. Das WC ist sicherlich eine zentrale Errungenschaft in der Hygiene des Menschen. Am 19. November wird übrigens in diesem Zusammenhang gefeiert – es ist der Welttoilettentag. Er soll auch darauf aufmerksam machen, dass auch in der heutigen Zeit noch längst nicht alle Menschen auf der Welt Zugang zu sanitären Einrichtungen haben. Schätzungen der Vereinten Nationen zufolge leben etwa 4,2 Milliarden Menschen unter unzureichenden sanitären Bedingungen.

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